Henri Matisse - vom "Fauve" zum "Schnipselkleber"? (2 Vorträge) Teil I: 1869 bis 1917
Als Henri Matisse
1908 schrieb, dass er Kunst anstrebe „als eine Art von Ausgeglichenheit,
Reinheit und Gelassenheit, so etwas wie einen guten Armsessel, in dem man sich
ausruht,“ klang das schon sehr merkwürdig. Denn nur drei Jahre zuvor wurden er
und seine künstlerischen Mitstreiter als „wilde Bestien“, als „Fauves“
tituliert, weil sie versuchten, den Impressionismus zu überwinden. Zu Anfang
seiner Malerkarriere stand Matisse allerdings den Neoimpressionisten nahe,
besonders Cézanne. Doch bald gab er die herkömmliche Farbtheorie auf und
entwickelte die besondere Bedeutung der Farben für die Vermittlung von
Empfindungen, die er zugleich als eine bessere Realitätsdarstellung verstand,
als es die sorgfältige naturnahe Abbildung war. Nach 1905, nach dem großen Eklat
beim Herbstsalon in Paris, kam der Durchbruch für die Fauves, allerdings mehr
beim internationalen als beim französischen Publikum. Während seine Kollegen
sich in der Folgezeit überwiegend mit dem Kubismus beschäftigten, beschritt
Matisse seinen ganz eigenen Weg.
Nach seinem Umzug
an die Côte d' Azur 1917 beschäftigte sich Matisse - ganz dem oben erwähnten
Motto folgend - mit Interieurs, verstärkt auch mit Akten und Halbakten,
besonders in der 1922 begonnenen Odalisken-Serie, wobei ihn noch mehr als früher
auch das Ornamentale reizte, das er nicht nur, aber vor allem aus Andalusien und
Marokko mitbrachte. Dann, ab etwa 1930 im Zusammenhang mit Aufträgen des
amerikanischen Sammlers Dr. Barnes, wurden seine Bilder großflächiger und
zugleich detailärmer. Diese Entwicklung entsprach letztlich dem, was Anselm von
Feuerbach einmal so formulierte: „Stil ist richtiges Weglassen des
Unwesentlichen“. Bei Matisse endete das in den berühmten Tanz-Scherenschnitten,
die ihm bei einem ebenso berühmten Kollegen den Spitznamen „Schnipselkleber“
einbrachten. Wer diesen Namen geprägt hat, wird im Vortrag verraten, und es wird
die Entwicklung dieses so bedeutenden "französischsten aller französischen
Maler", der zu den Größten des 20. Jahrhunderts gerechnet werden muss,
nachgezeichnet.
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